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Berichte
 

600km Brevet (28.05.07)

Seit Tagen sind die Wetteraussichten für den 600 Brevet eindeutig: Regen, nichts als Regen.
An die 22 Randonneure machen sich vormittags, um 10.00 Uhr, regendicht eingeschweißt, auf die 618 km lange Strecke.

Ausgehend von Wintersdorf geht es auf der französischen Seite die Rheinebene entlang, über Straßburg, durch das Elsaß, nach Markolsheim bis nach Thann. Weiter geht es in die Vogesen über den Grand Ballon (großer Belchen 1330 hm) runter nach Géradmer. Von dort durch Lothringen ins Saarland nach Saarbrücken. Danach durch die Südpfalz über Homburg Kaiserslautern, Speyer und Wörth, zurück nach Baden Württemberg nach Wintersdorf.

Bereits nach 20 km bricht mir eine Speiche am Hinterrad. Mit einem enormen Achter versuche ich mich noch möglichst lange in der Gruppe zu halten. Ich gehöre zu den wenig Glücklichen, der in den Genuss kommt, dass die ganze Gruppe bei Kilometer 30 pausiert, damit ich meine Panne beheben kann.
Nach dem Halt stelle ich fest, das die Speiche nicht gebrochen, sondern aus der Felge herausgerissen ist. Des weiteren kann man noch an weiteren 17 Speichennippeln deutliche Risse erkennen.
Das war's. Entmutigt will ich schon das Handtuch werfen, als plötzlich Andreas Gruner, der selbst einen Fahrradladen besizt, neben mir ruhig und sachlich sagt:
" Das kriegen wir hin!"
Er zaubert kurzerhand von seinem Hinterrad zwei Unterlegscheiben hervor, nimmt davon die passende, löst mein Felgenband von der Hohlkammerfelge, macht einen Schlitz längs durch die Öse, so dass die Unterlegscheibe ,wie ein Geldstück durch den Sparschweinschlitz, versenkt werden kann, dann wird die Speiche durch die Unterlegscheibe gesteckt, Nippel drauf, anziehen und alle anderen Speichen um gut eine halbe Umdrehung lockern, Mantel und Schlauch drauf, aufpumpen, fertig!
Genau 15 min.!
Mir fehlen die Worte ob dieser Genialität und Routine! Chapeau Andreas!

Mit gemischten Gefühlen geht es weiter. Auf den nächsten 22 km lerne ich Christian Albers kennen, der auch erstmals an PBP teilnehmen will.
Wie sich herausstellen wird, besitzt er alle Tugenden eines echten Randonneurs!

In Straßburg überzeugt er drei weitere Randonneure, die Gruppe zu verlassen, um mit mir zusammen einen Fahrradladen zu suchen, damit ich mir ein neues Hinterrad kaufen kann.
Vielen Dank an diese Jungs!!
Leider war dieser Versuch nicht von Erfolg gekrönt, da alle angefahrene Fahrradläden geschlossen haben.
Damit wir nicht weiter Zeit verlieren, entschließe ich mich einfach solange zu fahren wie es geht, hoffentlich bis ins 566 km entfernte Ziel. Psychisch gesehen ein absolutes Highlight bei all den folgenden Anstiegen und kurvigen Abfahrten.

Erst nach weiteren 129 km, am Gipfel des Grand Ballon holen wir die Gruppe wieder ein. Dabei habe ich ganz schön Körner liegen lassen müssen. Ich möchte nicht wissen, was die anderen vier Jungs sich im Stillen gedacht haben. Jetzt ist es 19 Uhr 15 min..

Nach einer Pause im dortigen Restaurant machen wir uns wieder auf den Weg.
Vor uns liegt eine ca. 13 km lange Abfahrt, bei Regen und 4°C Plus.
Man muß kein Prophet sein, um zu erahnen wie viele Hände bei dieser Abfahrt buchstäblich zu Eis erstarrt sind.
Am vierten Kontrollpunkt, nach 226 km, in Géradmer, wärmen wir uns ausgiebig bei Kaffee und heißer Schokolade wieder auf.

Die nächsten 181 km durch die Nacht erfolgen ruhig und relativ trocken.
In den frühen Morgenstunden, gegen 5 Uhr, begleitet von den vielen Gesängen der ortsansässigen Hausrotschwänzen (Heimische Vogelart), erreichen wir Saarbrücken (sechste Kontrolle), wo wir an einer Tankstelle den nötigen Stopp einlegen.

Noch bevor wir Saarbrücken verlassen, entschließt sich Christian, seinen schleichenden Platten zu beheben. Die Gruppe, inklusive mir, fährt weiter, nur sein Freund Stefan hilft ihm.
Erst 80 km später, im Pfälzer Wald, schließt er wieder zu uns auf.
Vielleicht war mein Verhalten bis dahin noch entschuldbar, da ich aufgrund von Knieschmerzen, den Zweien bei der Aufholjagd, nur ein Klotz am Bein gewesen wäre!
Doch als Christian 60 km vor dem Ziel nochmals einen Platten bekommt, und wieder niemand, außer Stefan, auf ihn wartet, da bin ich im Nachhinein nicht von mir begeistert, sondern bestürzt.
So ein Verhalten von mir ist unverzeihlich. Auf dieser Tour habe ich zweimal das Glück gehabt, dass man auf mich gewartet hat und ich lasse in dieser Situation Christian im Stich! Das ist unentschuldbar und ich hoffe, dass ich zukünftig in ähnlichen Situationen genau so handeln werde wie Christian es die ganze Tour über getan hat.
Mit einem schlechten Gewissen erreiche ich Wintersdorf nach 30 h und 49 Minuten.

Fazit:
Es macht nicht wirklich Spaß bei so einem Wetter 31 h unterwegs zu sein. Im letzten Drittel der Tour waren wir sehr lange auf vielbefahrenen Bundesstraßen unterwegs. Das zerrt an den Nerven, genauso wie mein kaputtes Hinterrad und mein unkameradschaftliches Verhalten. Da hilft nur optimistisch in die Zukunft blicken und diesen schlechten Tag abzuhaken.

Tourdaten:
Start: 10.00 Uhr
Ankunft: 16.49 Uhr
Tourdauer: 30 h 49 min.
Zeitlimit: 40 h
Tourlänge: 618 km
Höhenmeter: ca. 3900 hm
reine Fahrzeit: 25 h 13 min.
Durchschnittsgeschwindigkeit (reine Fahrzeit): 24,5 km/h
Temperatur: zwischen 4 und 16°C

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